Bei einem Kirchentag wie diesem tun sich eine Vielzahl von Wegen auf, die nur darauf warten, beschritten zu werden. Manche dieser Wege sind sogar sehr wörtlich zu verstehen – gleich eine ganze Reihe von Veranstaltungen riefen zum gemeinsamen Pilgern auf.
Pilgern ist eine Form der spirituellen Reise, die Menschen aus verschiedenen Religionen und Kulturen seit Jahrtausenden praktizieren und sich gerade in der gegenwärtigen Zeit größter Beliebtheit erfreut. Dabei geht es darum, zu einem heiligen Ort zu wandern, um dort Gottes Nähe zu suchen, zu beten, zu singen, zu danken oder um Vergebung zu bitten. Pilgern kann aber auch eine Möglichkeit sein, sich selbst besser kennenzulernen, den Alltag hinter sich zu lassen und neue Erfahrungen zu machen. Somit vermag es ein Pilgerweg, Perspektiven für alle Menschen aufzuzeigen, egal ob religiös oder nicht.
Nürnberg hat auch einen Bezug zum Pilgern, denn hier beginnt einer der Jakobswege, die nach Santiago de Compostela in Spanien führen. Der Jakobsweg ist einer der bekanntesten Pilgerwege der Welt, der seit dem Mittelalter von Millionen von Menschen begangen wird. Er ist dem heiligen Jakobus gewidmet, dessen Grab sich in Santiago befindet. Der Jakobsweg von Nürnberg führt durch Franken, Schwaben und das Allgäu nach Lindau am Bodensee und von dort weiter durch die Schweiz und Frankreich nach Spanien.
Unser Pilgerweg begann in der Kirche St. Klara, die direkt am Eingangstor zur Altstadt zu finden ist. Die Kirche wurde bereits im 13. Jahrhundert als Klosterkirche der Klarissen gegründet und ist dem heiligen Franziskus und der heiligen Klara von Assisi geweiht. Und genau in diese Gründungszeit sollte uns unser Weg ebenfalls führen: in das Mittelalter. Die Idee der Pilgerveranstaltung war es, auf den Spuren einer Nonne dieser Zeit das mittelalterliche Nürnberg zu erkunden und gemeinsam zu beten und zu singen. Und das taten wir auch. Ausgehend von St. Klara führte uns unser Weg zum alten Marktplatz, zur Ruine des Katharinenklosters, zum Hospital und dem damals höchst innovativen Kornspeicher an der Pegnitz, zur Statue von Hans Sachs, dem berühmten Meistersinger aus Nürnberg, und schließlich zur Kaiserburg.
Uns erwartete somit an diesem sonnigen Freitag eine Verbindung aus einer historischen Stadtführung und einem kleinen Einblick in das Pilgern und die Pilgerwege Nürnbergs. Doch weder wir noch die Veranstaltenden rechneten mit einem solchen Interesse: Beinahe zweihundert Menschen fanden sich gemeinsam am Nachmittag in St. Klara ein. Ursprünglich hatte man mit ungefähr 25 Pilgernden gerechnet, sodass es keine technische Unterstützung gab. Die Folge war, dass es nahezu unmöglich wurde, den Ausführungen zu den Sehenswürdigkeiten zu lauschen. Nürnberg war während dieses Kirchentages vieles, aber bestimmt nicht still und leise. Und so kam es schließlich, dass wir während eines Halts auf
ein Blasorchester trafen. Erklärungen zum Ort waren dadurch undenkbar. Jedoch stimmte spontan die gesamte Pilger:innengruppe in das gespielte Lied mit ein.
Doch obwohl es schwierig war, akustisch den Pilgerweg nachzuvollziehen, entstand ein Gemeinschaftsgefühl – gerade beim gemeinsamen Singen und Lesen aus den Psalmen. Für nichtreligiöse Menschen war dies eine besondere Überraschung. Es gab auch Momente (versuchter) Stille, in der alle Pilgernden den eigenen Gedanken nachhängen und die besondere Atmosphäre der Stadt genießen konnten – natürlich im Rahmen des Trubels des Kirchentags. Somit sei gesagt, dass obwohl es einige Schwierigkeiten gab, wir alle ein wenig auf den Geschmack des Pilgerns gekommen sind
Freitag, 09.06.2023, 15.30 Uhr